(Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie)
Seit 01.01.2025 ist der digitale Arbeitsvertrag endlich möglich. Nach massiver Kritik am Schriftformerfordernis für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen wurde das Nachweisgesetz im vergangenen Herbst angepasst. Diese wie weitere arbeitsrechtlich relevante Änderungen, die das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz mit sich bringt, haben wir für Sie kurz zusammengefasst:
Mit unserer Auswahl höchstrichterlicher Rechtsprechung möchten wir Ihren Blick auf die Themen Zustellung, Schadensersatz nach DSGVO sowie die urlaubsrechtlichen Folgen bei aufeinanderfolgenden mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten lenken. Wenn Sie Kurzarbeitergeld beantragt haben sollten, beachten Sie bitte auch unseren Hinweis am Ende des Newsletters auf die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Fristeinhaltung. Ein praxisrelevanter Mix - wir wünschen wieder einmal gute Lektüre!
I. Anscheinsbeweis für Kündigungszugang bei Einwurf-Einschreiben
Es besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutsche Post AG Briefe zu den dienstüblichen Zeiten zustellen (BAG, Urteil v. 20.06.2024, Az. 2 AZR 213/23).
II. Anforderungen an die Darlegung eines immateriellen Schadens i. S. d. DSGVO
Die Sorge vor einem Datenmissbrauch kann einen immateriellen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen reicht jedoch für die Darlegung eines Schadens nicht aus (BAG, Urteil v. 20.06.2024, Az. 8 AZR 124/23).
III. Entstehung von Urlaubsansprüchen während eines Beschäftigungsverbots - Beschäftigungsfiktion
§ 24 S. 2 MuSchG, demzufolge eine Frau den vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht (vollständig) erhaltenen Urlaub nach Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr nehmen kann, steht auch einem Verfall solcher Urlaubsansprüche entgegen, die während mehrerer unmittelbar aufeinanderfolgender mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote entstanden sind (BAG, Urteil v. 20.08.2024, Az. 9 AZR 226/23).
In unserem neuen Newsletter informieren wir Sie über zwei Entscheidungen des BAG zur Anpassung der Vergütung bei Aufstockung der Arbeitszeit von Teil- auf Vollzeit und digitalen Bereitstellung von Bewerbungsunterlagen bei Einstellungen. Außerdem servieren wir Ihnen eine Entscheidung des LAG Saarland zur Vergütung von Überstunden in von einem Zeiterfassungssystem automatisch abgezogenen Pausen. Zusammenfassung der Leitsätze:
I. Anpassung der Vergütung bei Aufstockung der Arbeitszeit
Sowohl bei einer Verkürzung als auch bei einer Verlängerung der Arbeitszeit überlässt das Gesetz die Anpassung der Vergütung den Arbeitsvertragsparteien. Können sich die Arbeitsvertragsparteien bei der Aufstockung der Arbeitszeit auf Vollzeit nicht über die Vergütung einigen, wird der Arbeitsvertrag insoweit lückenhaft. Die Vergütung ist durch ergänzende Vertragsauslegung zumindest quotal entsprechend der Arbeitszeiterhöhung anzupassen (BAG, Urteil v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 168/23).
II. Einsicht des Betriebsrats in digitale Bewerbungsunterlagen bei Zustimmung zur Einstellung ausreichend
Führt der Arbeitgeber den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durch, genügt er seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes Einsichtsrecht gewährt (BAG, Beschluss v. 13.12.2023, Az. 1 ABR 28/22).
III. Überstunden in Pausen - Darlegungs- und Beweislast
Arbeiten während festgelegter Pausenzeiten können Über- und Mehrarbeitsstunden sein. Für die Überstunden und deren Anordnung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Pausenzeiten können durch ein Arbeitszeiterfassungssystem automatisch abgezogen werden (LAG Saarland, Urteil v. 29.11.2023, Az. 2 Sa 82/21).
Mit drei sehr praxisrelevanten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) starten wir den 2024-Zyklus unseres Newsletters. Thematisch geht es um die Fragen, wann der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten beim Urlaub nachzukommen hat, unter welchen Umständen er eine Weisung außerhalb der Dienstzeit aussprechen darf und wodurch der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird. Im Überblick:
I. Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankung - Zeitpunkt der Mitwirkung des Arbeitgebers
Die bei einer mit Artikel 7 RL 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BurlG bei Langzeiterkrankungen geltende 15-monatige Verfallfrist kann ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen (BAG, Urteil v. 31.01.2023, Az. 9 AZR 107/20).
II. Pflicht zur Entgegennahme einer Weisung in der Freizeit
Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen (BAG, Urteil v. 23.08.2023, Az. 5 AZR 349/22).
III. Erschütterung des Beweiswerts von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (BAG, Urteil v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23).
In unserem Herbst-Newsletter haben wir für Sie aktuelle Entscheidungen sowohl des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Abrufarbeit und Videoüberwachung am Arbeitsplatz als auch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gleichbehandlung von Teilzeitkräften zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Starten Sie gleich mit dem Überblick:
I. Arbeit auf Abruf und ergänzende Vertragsauslegung
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23).
II. Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz und Beweisverwertungsverbot
In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stünde (BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22).
III. Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Piloten bei einheitlicher Auslösegrenze für Bonuszahlung?
Aktuell ist auch die Entscheidung des EuGH. Dieser entschied, dass Teilzeitbeschäftigte benachteiligt werden, wenn bei der Zahlung einer tariflichen „Mehrflugdienststundenvergütung“ ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden nicht zwischen Voll- und Teilzeitkräften differenziert wird (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2023, Az. C-660/20).