In unserem neuen Newsletter informieren wir Sie über zwei Entscheidungen des BAG zur Anpassung der Vergütung bei Aufstockung der Arbeitszeit von Teil- auf Vollzeit und digitalen Bereitstellung von Bewerbungsunterlagen bei Einstellungen. Außerdem servieren wir Ihnen eine Entscheidung des LAG Saarland zur Vergütung von Überstunden in von einem Zeiterfassungssystem automatisch abgezogenen Pausen. Zusammenfassung der Leitsätze:
I. Anpassung der Vergütung bei Aufstockung der Arbeitszeit
Sowohl bei einer Verkürzung als auch bei einer Verlängerung der Arbeitszeit überlässt das Gesetz die Anpassung der Vergütung den Arbeitsvertragsparteien. Können sich die Arbeitsvertragsparteien bei der Aufstockung der Arbeitszeit auf Vollzeit nicht über die Vergütung einigen, wird der Arbeitsvertrag insoweit lückenhaft. Die Vergütung ist durch ergänzende Vertragsauslegung zumindest quotal entsprechend der Arbeitszeiterhöhung anzupassen (BAG, Urteil v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 168/23).
II. Einsicht des Betriebsrats in digitale Bewerbungsunterlagen bei Zustimmung zur Einstellung ausreichend
Führt der Arbeitgeber den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durch, genügt er seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes Einsichtsrecht gewährt (BAG, Beschluss v. 13.12.2023, Az. 1 ABR 28/22).
III. Überstunden in Pausen - Darlegungs- und Beweislast
Arbeiten während festgelegter Pausenzeiten können Über- und Mehrarbeitsstunden sein. Für die Überstunden und deren Anordnung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Pausenzeiten können durch ein Arbeitszeiterfassungssystem automatisch abgezogen werden (LAG Saarland, Urteil v. 29.11.2023, Az. 2 Sa 82/21).
Mit drei sehr praxisrelevanten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) starten wir den 2024-Zyklus unseres Newsletters. Thematisch geht es um die Fragen, wann der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten beim Urlaub nachzukommen hat, unter welchen Umständen er eine Weisung außerhalb der Dienstzeit aussprechen darf und wodurch der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird. Im Überblick:
I. Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankung - Zeitpunkt der Mitwirkung des Arbeitgebers
Die bei einer mit Artikel 7 RL 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BurlG bei Langzeiterkrankungen geltende 15-monatige Verfallfrist kann ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen (BAG, Urteil v. 31.01.2023, Az. 9 AZR 107/20).
II. Pflicht zur Entgegennahme einer Weisung in der Freizeit
Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen (BAG, Urteil v. 23.08.2023, Az. 5 AZR 349/22).
III. Erschütterung des Beweiswerts von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (BAG, Urteil v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23).
In unserem Herbst-Newsletter haben wir für Sie aktuelle Entscheidungen sowohl des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Abrufarbeit und Videoüberwachung am Arbeitsplatz als auch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gleichbehandlung von Teilzeitkräften zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Starten Sie gleich mit dem Überblick:
I. Arbeit auf Abruf und ergänzende Vertragsauslegung
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23).
II. Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz und Beweisverwertungsverbot
In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stünde (BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22).
III. Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Piloten bei einheitlicher Auslösegrenze für Bonuszahlung?
Aktuell ist auch die Entscheidung des EuGH. Dieser entschied, dass Teilzeitbeschäftigte benachteiligt werden, wenn bei der Zahlung einer tariflichen „Mehrflugdienststundenvergütung“ ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden nicht zwischen Voll- und Teilzeitkräften differenziert wird (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2023, Az. C-660/20).
In unserem Newsletter informieren wir Sie über zwei brandaktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Beachtung der Pfändungsfreigrenzen eines zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens und Gleichstellung bei der Bezahlung von Leiharbeitnehmern aus dem letzten Monat, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegen. In einer ebenso aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geht es um die Frage, ob ein Schadenersatz wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen tatsächlich entstandenen Schaden voraussetzt. Schließlich berichten wir über den Handlungsbedarf, der sich aus dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz ergibt. Im Überblick:
I. Nutzungsausfall für einen zur privaten Nutzung überlassenen Pkw - Nachzahlung von Nettovergütung
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein betriebliches Kraftfahrzeug zur Verfügung, spricht man von einem Dienst- oder Firmenwagen. Ein Dienstwagen darf häufig nicht nur dienstlich genutzt werden, sondern auch für private Fahrten. Die unentgeltliche Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken führt beim Arbeitnehmer zu einem geldwerten Vorteil und damit zu steuer- und beitragspflichtigem Arbeitsentgelt. Lohnsteuerlich kann die Privatnutzung nach der 1 %-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode bewertet werden. In der Praxis wird häufig die 1 %-Regelung bevorzugt, weil dieses Berechnungsverfahren einfacher ist.
Zu schwierigen Berechnungen kann es kommen, wenn Pfändungsfreigrenzen zu beachten sind und sich die persönlichen Verhältnisse nach Abschluss des Überlassungsvertrages ändern (BAG, Urteil vom 31.05.2023, Az. 5 AZR 273/229).
II. Vergütungsansprüche wegen des Gleichstellungsgrundsatzes nach dem AÜG (Equal-Pay)
In der Entscheidung des 5. Senats des BAG geht es um das Thema der Gleichstellung von Zeitarbeitern mit der Kernbelegschaft. Zu prüfen war durch das Gericht die Rechtmäßigkeit tariflicher Schlechterstellungen bei der Bezahlung von Leiharbeitern gegenüber Stammbeschäftigten (BAG, Urteil vom 31.05.2023, Az. 5 AZR 143/19).
III. Kein Schadenersatz nur bei Verstoß gegen die DSGVO
Der Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO allein ist nicht ausreichend, um einen Schadenersatz zu begründen. Neben einem Verstoß sind auch ein Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und Schaden Voraussetzung für Schadenersatz. Der Schaden muss feststellbar sein. Ein bestimmter Schweregrad des Schadens (Erheblichkeitsschwelle) ist nicht nötig (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Az. C-300/21).
Deutschland ist verpflichtet, europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Bei dem arbeitsrechtlich höchst relevanten Thema Whistleblowing, auf europäischer Ebene seit 2019 geregelt, war der parlamentarische Weg lang und hürdenreich. Nachdem der Vermittlungsausschuss am 09.05.2023 einen Kompromiss zum nationalen Gesetzentwurf gefunden hat, wird das Hinweisgeberschutzgesetz voraussichtlich noch im Juni 2023 in Kraft treten.
Drei dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegte Fälle aus Deutschland ermöglichen dem Gerichtshof, seine Urlaubsrechtsprechung zu verfeinern. Im Fokus stehen die - bekannten - Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung. Deren Nichtbeachtung stärkt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, wenn Verfall oder Verjährung drohen. Ebenso praxisrelevant wie diese Urteile ist eine unlängst ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Bereich des Schwerbehindertenrechts. Im Überblick:
I. Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten seitens des Arbeitgebers
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG (RL 2003/88) und Art. 31 Abs. 2 EU-GRCharta (GRCh) stehen einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Anspruch auf erworbenen bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH, Urteil v. 22.09.2022, Az. C-120/21).
II. Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankung und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers
Art. 7 RL 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 GRCh stehen einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, entweder nach Ablauf eines nach nationalem Recht zulässigen Übertragungszeitraums oder später auch dann erlöschen kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben (EuGH, Urteil v. 22.09.2022, Az. C-518/20 und C-727/20).
III. Fortbestand der Schwerbehindertenvertretung trotz Unterschreitung des Schwellenwerts
Die Amtszeit einer Schwerbehindertenvertretung endet nicht vorzeitig, wenn die Zahl der gehandicapten Mitarbeiter im Betrieb unter das Quorum von fünf rutscht (BAG, Beschluss v. 19.10.2022, Az. 7 ABR 27/21).