Arbeitsrecht

9. Newsletter — Juni 2019

In unserem aktuellen Newsletter stellen wir Ihnen wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sowie des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg zum Urlaubsrecht aus dem I. Quartal 2019 vor. Ein Überblick:

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG besteht auch für den Zeitraum der Elternzeit, er kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG gekürzt werden. Diese Vorschrift steht im Einklang mit dem Unionsrecht (BAG, Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 362/18, Pressemitteilung Nr. 16/19).

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Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs bleiben Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt. Dem Arbeitnehmer steht daher kein Urlaubsanspruch für Jahre zu, in denen er sich vollständig im unbezahlten Sonderurlaub befindet (BAG, Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17, Pressemitteilung Nr. 15/19).

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Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen. Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG zusammenhängend zu gewähren. Einem Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss der Arbeitgeber nicht stattgeben. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2019, Az. 4 Sa 73/18, nicht rechtskräftig).

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Zur Erinnerung: Resturlaub verfällt nicht automatisch (EuGH, Urteile vom 06.11.2018, Az. C-1619/16 und C 684/16).

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1. Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin, seit 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt, befand sich u. a. von Januar 2013 bis Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Im März 2016 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2016 und beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche Urlaub für den Zeitraum der Kündigungsfrist. Mit Schreiben vom 04.04.2016 erteilte der Arbeitgeber ihr Urlaub, lehnte jedoch die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs ab. Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin auf Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

2. Entscheidung

Die Revision der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg. Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschied, dass der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 04.04.2016 wirksam gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 gekürzt hat. Das Gericht führte aus, dass das Kürzungsrecht des Arbeitgebers eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung voraussetze. Dazu reiche es aus, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen wolle. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers gelte nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern erfasse auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien keine von § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart hätten.

Das Bundesarbeitsgericht befasste sich in seiner Entscheidung auch mit der europarechtlichen Dimension der Urlaubsansprüche und stellte fest, dass die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs weder gegen Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EE (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU verstoße. Das Unionsrecht verlange nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.

3. Praxishinweis

Arbeitnehmer erwerben nach deutschem Recht grundsätzlich auch einen Urlaubsanspruch, während sie sich in Elternzeit befinden. Allerdings dürfen Arbeitgeber - anders als bei Mutterschutz oder Krankheit - nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG den Jahresurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Da diese Regelung das europarechtlich garantierte Recht auf bezahlten Jahresurlaub (vgl. Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie) tangiert, mussten sich deutsche Arbeitsgerichte immer wieder mit der Frage beschäftigen, ob § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG den europarechtlichen Vorgaben entspricht. Nachdem der Europäische Gerichtshof kürzlich eine rumänische Regelung nicht beanstandet hat, die eine Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer des sog. Elternurlaubs vorsieht, hat sich jetzt auch das Bundesarbeitsgericht in der Frage klar positioniert.

Der Arbeitgeber muss von seinem Kürzungsrecht keinen Gebrauch machen. Will er seine Befugnis ausüben, ist nur eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub zu kürzen. Dies kann ausdrücklich oder - wie im vorliegend entschiedenen Fall - durch konkludente Erklärung geschehen. Aus Beweisgründen sollte die Erklärung stets schriftlich erfolgen und ausdrücklich als Kürzung nach § 17 BEEG bezeichnet werden.

Zu beachten ist, dass das Kürzungsrecht nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet (vgl. § 17 Abs. 1 S. 2 BEEG).


1. Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin ist seit dem 01.06.1991 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Wunschgemäß gewährte diese ihr zunächst in der Zeit vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 unbezahlten Sonderurlaub, der anschließend einvernehmlich bis zum 31.08.2015 verlängert wurde. Die Arbeitnehmerin verlangte von der Arbeitgeberin nach Beendigung des Sonderurlaubs gesetzlichen Mindesturlaub für das Jahr 2014 im Umfang von 20 Arbeitstagen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin zur Gewährung von Urlaub i. H. v. 20 Arbeitstagen.

2. Entscheidung

Die Revision der Arbeitgeberin hatte Erfolg. Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschied, dass die Klägerin für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat. Das Gericht stellte unter Verweis auf § 3 Abs. 1 BUrlG zunächst heraus, dass sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage belaufe. Bei einer Fünf-Tage-Woche entspräche dies einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen. Sei die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, müsse die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden. Dadurch werde eine für alle Arbeitnehmer gleichwertige Urlaubsdauer gewährleistet.

In Fällen des unbezahlten Sonderurlaubs nahm das Bundesarbeitsgericht eine solche Umrechnung, d. h. Reduzierung des Urlaubs, bisher nicht vor. An dieser Rechtsprechung hält der 9. Senat nicht fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, sei bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt hätten. Bei durchgehend unbezahltem Sonderurlaub entstehe mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub.

3. Praxishinweis

Mit diesem Urteil vollzieht der 9. Senat eine Rechtsprechungsänderung und klärt gleichzeitig wichtige Praxisfragen im Zusammenhang mit der Handhabung von sog. Sabbaticals und Altersteilzeitregelungen.

Da das Urteil bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, steht nicht fest, wie das Gericht seine Rechtsprechungsänderung begründet. Wahrscheinlich ist, dass der 9. Senat sich an der Urlaubsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs orientiert hat. Dieser hatte judiziert, dass es den Grundsätzen des Unionsrechts entspreche, dass ein Urlaubsanspruch wegen des Erholungszwecks des Urlaubs nur dann entstehe, wenn tatsächlich gearbeitet werde. Der 9. Senat hat - wie oben unter Ziff. I. ausgeführt - aufgrund dieser Entscheidung die Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 BEEG für Urlaubsansprüche während der Elternzeit als europarechtskonform bestätigt. Möglicherweise hat diese Entscheidung auch zum Umdenken beim Thema Sonderurlaub geführt.


1. Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer ist seit 1977 bei der beklagten Arbeitgeberin als Zerspannungsmechaniker beschäftigt, ihm steht ein vertraglicher Urlaubsanspruch von 31 Tagen pro Kalenderjahr zu. Nebenberuflich betreibt der Kläger oder zumindest dessen Familie ein Weingut, in dem der Kläger mithilft. In der Vergangenheit wurden dem Kläger in unterschiedlichem Umfang halbe Urlaubstage gewährt. Die Arbeitgeberin teilte dem Arbeitnehmer im August 2017 mit, ihm künftig jedenfalls nicht mehr als sechs halbe Tage Urlaub pro Jahr gewähren zu wollen, weil ihr die damit verbundenen Zusatzkosten und Dispositionsprobleme nicht zumutbar seien. Der Kläger machte geltend, dass ihm ein Anspruch auf Urlaubsgewährung für zehn, hilfsweise acht Urlaubstage pro Jahr auch halbtagsweise zustehe. Je nach den Wetterbedingungen, den Bedingungen auf dem Weinberg und dem Rebenwachstum bedürfe es seiner kurzfristigen Arbeitseinsätze auf dem Weinberg. Diese Vorgehensweise sei mit dem vormaligen Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin von Anfang an vereinbart gewesen und habe auch einer betrieblichen Übung entsprochen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.

2. Entscheidung

Die Berufung des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg, die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig (Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig). Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied, dass sich der Anspruch auf die gewünschten Urlaubsfestlegungen weder aus § 7 Abs. 1 S. 1 noch aus § 7 Abs. 2 BUrlG ergäbe. Einen weitgehend einschränkungslosen Urlaubsanspruch, wie der Arbeitnehmer ihn begehrt, gewähre das Gesetz nicht, denn der Arbeitgeber sei zur gewünschten Urlaubsgewährung nur verpflichtet, wenn ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zustehe, dem gewünschten Urlaub also keine dringenden betrieblichen Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstünden, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienten. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG sei der Urlaub zusammenhängend zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon gelte nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erfordern. Das Landesarbeitsgericht verneinte eine Ausnahme und stellte unter Hinweis auf den Erholungszweck des Urlaubs fest, dass selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht zulässig ist. Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten sei keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs, ein derart gewährter Urlaub könne deshalb nochmals gefordert werden. Von diesen Grundsätzen könnte gem. § 13 Abs. 1 BUrlG auch arbeitsvertraglich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Das Landesarbeitsgericht weist darauf hin, dass eine den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende vertragliche Regelung, die einen Verzicht des Arbeitgebers auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HS 2 BUrlG beinhaltet oder die Urlaubsgewährung in Form von Bruchteilen einzelner Urlaubstage ermöglicht, zulässig sei. Dass die Arbeitsvertragsparteien im vorliegenden Fall eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten, konnte der Arbeitnehmer aber nicht nachweisen. Das Landesarbeitsgericht verneinte den Anspruch auch unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung, da es an einem kollektiven Bezug fehlte. Bei den Urlaubsgewährungen für die Arbeiten im Weinberg handelte es sich nach den eigenen Behauptungen des Arbeitnehmers um eine Sonderregelung nur für ihn.

3. Praxishinweis

Die Entscheidung mit dem ebenso anschaulichen wie atypischen Sachverhalt enthält keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, bestätigt allerdings die geltende Rechtslage, die in der betrieblichen Praxis zuweilen aus dem Blick gerät. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rückt dem im Urlaubsrecht geltenden Grundsatz der zusammenhängenden Urlaubsgewährung sowie das Tagesprinzip ins Zentrum. Beides gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, über den vertraglichen Mehrurlaub können die Parteien disponieren. Wird entgegen diesen Grundsätzen der gesamte Urlaub im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur in kleinsten Raten gewährt, ist dies unzulässig mit der Rechtsfolge, dass keine Urlaubsgewährung vorliegt und der Arbeitnehmer sich darauf berufen kann, noch einen Anspruch auf echten Erholungsurlaub zu haben. Der Anspruch kann gegebenenfalls als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden, in den Einzelheiten ist dies strittig.

Vorbehaltlich einer Revisionsentscheidung ist zu empfehlen, den gesetzlichen Mindesturlaub mindestens in Höhe von 12 Werktagen zusammenhängend zu gewähren und grundsätzlich keinen halben Urlaubstagen zuzustimmen. Ob diese rein arbeitsrechtliche Sicht bei dem hochemotionalen Thema Urlaub vom Arbeitgeber stets und immer durchgesetzt werden sollte, kann nur im Einzelfall entschieden werden.


Haben Sie die EuGH-Urteile vom 06.11.2018, Az. C-1619/16 und C-684/16 (Urlaubsverlangen/Verfall), schon umgesetzt? In unserem diesjährigen ARBEITS-Frühstück 2019 hatten wir Ihnen diese Entscheidung vorgestellt und angeraten, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr schriftlich und rechtzeitig vor Jahresende auffordern soll, den noch nicht genommenen Jahresurlaub zu beantragen. Verbunden hiermit sollte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer darüber aufklären, dass der Urlaub, wenn er nicht genommen wird, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen wird. Gern unterstützen wir Sie bei der Erstellung entsprechender Musterschreiben.

Bitte beachten Sie, dass diese Darstellung die bisherige und die aktuelle Rechtslage nur auszugsweise und verkürzt wiedergibt. Sie kann daher eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Rechtsberatung nicht ersetzen.

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