Mandanteninformation zum Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zur Urlaubskürzung bei Kurzarbeit
In unserer heutigen Mandanteninformation möchten wir Sie über das aktuelle Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Urlaubskürzung bei Kurzarbeit (BAG, Urteil vom 30.11.2021 - 9 AZR 225/21) informieren:
Nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung sind Arbeitgeber berechtigt, Arbeitnehmern, die coronabedingt längere Zeit ohne Arbeitspflicht in Kurzarbeit waren und dadurch einen tageweisen Arbeitsausfall hatten, den Jahresurlaub anteilig zu kürzen. Der kurzarbeitbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigt eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.
In dem aktuellen Fall ging es um die Klage einer Verkäuferin aus Nordrhein-Westfalen: Die Frau hatte geklagt, nachdem ihr der Urlaub gekürzt wurde. Sie arbeitet als Verkaufshilfe drei Tage pro Woche. Im vergangenen Jahr wurde sie über mehrere Monate in Kurzarbeit Null geschickt; sie erhielt Urlaub, aber um einige Tage gekürzt.
Schon die Vorinstanzen hatten die Klage der Verkäuferin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 - 6 Sa 824/20) - vgl. bereits den Hinweis auf diese Entscheidung in unserem 12. Newsletter/Mai 2021 - urteilte, dass für Zeiten, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht haben, der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen sei. Das BAG bestätigte somit das Urteil des Düsseldorfer Landesarbeitsgerichts.
In einer weiteren Sache hat der 9. Senat erkannt, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist (BAG, Urteil vom 30.11.2021 - 9 AZR 234/21, Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg -, Urteil vom 03.05.2021 - 9 Sa 1/21).
Das BAG folgt mit seinen Entscheidungen seiner Linie seit 2019, wonach sich der Umfang des Erholungsurlaubs an der Zahl der vereinbarten Tage mit Arbeitspflicht bemessen soll.
Die Entscheidungen liegen bislang nur als Pressemitteilung (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 41/21) vor, die ausführliche Urteilsbegründung ist abzuwarten.
Für Ihre HR-Praxis bedeutet dies: Fallen aufgrund von Kurzarbeit - sei sie einzelvertraglich vereinbart oder über eine Betriebsvereinbarung eingeführt - über einen längeren Zeitraum einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen, denn kurzarbeitbedingt ausgefallene Arbeitstage werden urlaubsrechtlich nicht wie Arbeitstage gewertet.
Und da das Kalenderjahr sich dem Ende zuneigt, beachten und erfüllen Sie bitte noch Ihre Hinweispflicht zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Denn der Urlaub verfällt nicht mehr automatisch. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus November 2018 (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 - C-684/16) kann laut BAG bei einer richtlinienkonformen Auslegung der deutschen Urlaubsvorschriften ein Urlaubsverfall in der Regel nur noch eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen und darauf hingewiesen hat, dass er anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.