Arbeitsrecht

21. Newsletter - Juli 2025

Mit vier höchstrichterlichen Entscheidungen aus dem 1. Halbjahr 2025 möchten wir Sie informiert halten. Die Fragen, ob Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zum Betrieb haben und ob der befristete Arbeitsvertrag eines in den Betriebsrat gewählten Arbeitnehmers automatisch entfristet, könnten bei den Betriebsratswahlen im nächsten Jahr eine Rolle spielen. Gut, dass das BAG hier Klarheit geschaffen hat. Auf individualvertraglicher Ebene wurden die Fragen geklärt, ob die Entgeltabrechnung digital sein darf und welcher Zeitraum für unterlassenen Zwischenverdienst eines gekündigten Arbeitnehmers maßgeblich ist. Wir wünschen Ihnen interessante Lektüre!

Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer zum Zwecke der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Ein solches Begehren kann nicht auf eine von den Gerichten vorzunehmende Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit gestützt werden (BAG, Urteil vom 28.01.2025, Az. 1 AZR 33/24).Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer zum Zwecke der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Ein solches Begehren kann nicht auf eine von den Gerichten vorzunehmende Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit gestützt werden (BAG, Urteil vom 28.01.2025, Az. 1 AZR 33/24).

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Ein nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zulässig befristetes Arbeitsverhältnis endet auch dann mit Ablauf der vereinbarten Befristung, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt worden ist. Benachteiligt der Arbeitgeber allerdings das befristet beschäftigte Betriebsratsmitglied, indem er diesem wegen des Betriebsratsmandats keinen Folgevertrag anbietet, hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf den Abschluss des verweigerten Folgevertrages als Schadensersatz (BAG, Urteil vom 18.06.2025, Az. 7 AZR 50/24).

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Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen (§ 108 Abs. 1 S. 1 GewO). Diese Pflicht kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt (BAG, Urteil vom 28.01.2025, Az. 9 AZR 48/24).

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Befindet sich ein Arbeitgeber nach Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug, schuldet er die Vergütung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss sich der Arbeitnehmer nur anrechnen lassen, wenn er wider Treu und Glauben untätig geblieben ist. Legt der Arbeitgeber nicht dar, dass ihm die Erfüllung des auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs unzumutbar gewesen wäre, besteht für den Arbeitnehmer keine Pflicht, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderes Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen (BAG, Urteil vom 12.02.2025, Az. 5 AZR 127/24).

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1. Sachverhalt

Die Parteien streiten über Möglichkeiten der klagenden Gewerkschaft, im Betrieb der Beklagten digital Werbung zu betreiben. Die Beklagte entwickelt, produziert und vertreibt Sportartikel und ist die Obergesellschaft eines weltweiten Konzerns. Die Klägerin ist die für die Beklagte zuständige Gewerkschaft in einem Betrieb mit ca. 5.400 Arbeitnehmern. Innerhalb dieses Betriebes findet die Kommunikation im Wesentlichen digital statt. Die meisten Arbeitnehmer verfügen über eine namensbezogene E-Mail-Adresse, die über eine Domain der Beklagten generiert wird. Die Klägerin meinte, ihr müsse ein „Zugang“ für die Mitgliederwerbung zu diesen Kommunikationssystemen eingeräumt werden. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, ihr sämtliche betrieblichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu übermitteln. Sie habe jedenfalls Anspruch, den Arbeitnehmern bis zu 104 E-Mails (bis 5 MB) im Jahr zu übersenden. Zudem sei ihr ein Zugang als „internal user“ zum konzernweiten Netzwerk zu gewähren, damit sie dort eine bestimmte Anzahl werbender Beiträge einstellen könne. Schließlich müsse die Beklagte auf der Startseite ihres Intranets eine Verlinkung mit einer Webseite der Klägerin vornehmen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

2. Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin scheiterte vor dem 1. Senat des BAG auf ganzer Linie. Zwar gewährleiste Art. 9 Abs. 3 GG einer Gewerkschaft grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und zu deren Information zu nutzen. Mangels gesetzlicher Vorgaben seien bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren widerstreitenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG und diejenigen des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 GRCh zu berücksichtigen. Das BAG musste daher die Koalitionsbetätigungsfreiheit einerseits und die betroffenen Grundrechtspositionen der Beteiligten andererseits im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich bringen. Demgemäß verneinte das BAG den Hauptantrag der Klägerin auf Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen, weil dieses isolierte Begehren keine die kollidierenden Verfassungswerte ausgleichende Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit ermögliche. Auch den hilfsweisen Klageantrag auf Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang bewertete das Gericht als unbegründet. Die mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen jeweils einhergehenden Belastungen der Beklagten beeinträchtigten diese erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Als schonendsten Ausgleich verwies das BAG die Klägerin auf die Möglichkeit, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen, um auf diesem Weg das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen nutzen zu können. Erfolglos blieb auch der auf Nutzung des konzernweiten Netzwerks bei Viva Engage gerichtete Klageantrag, denn die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Beklagten überstiegen das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Klägerin an der Durchführung solcher Werbemaßnahmen. Als unbegründet bewertete das BAG schließlich auch den auf eine Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielenden Klageantrag, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke für eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 3 S. 2 BPersVG fehle. Ob sich ein solches Begehren grundsätzlich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben könne, konnte das BAG offenlassen. Jedenfalls könne die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets der Beklagten angebracht werde.

3. Praxishinweis

Das bisher nur als Pressemitteilung veröffentlichte Urteil ist aus Arbeitgebersicht uneingeschränkt zu begrüßen, zumal die Entscheidung Rechtsklarheit schafft.

 


1. Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf einer vertraglichen Befristung. Die beklagte Arbeitgeberin schloss mit dem Kläger Anfang 2021 einen zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag, der später um ein weiteres Jahr bis zum 14.02.2023 verlängert wurde. Im Sommer 2022 wurde der Kläger in den bei der Beklagten neu gebildeten Betriebsrat gewählt. Von 19 Arbeitnehmern, die einen am 14.02.2023 auslaufenden befristeten Arbeitsvertrag hatten, erhielten 16 das Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages. Der Kläger erhielt kein Angebot, ebenso wenig ein Arbeitnehmer mit erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages. Er machte geltend, dass die unterbliebene Entfristung seines Arbeitsverhältnisses allein auf seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat beruhe. Zwar habe die Beklagte mit anderen Betriebsratsmitgliedern unbefristete Arbeitsverträge geschlossen, anders als der Kläger hätten diese aber nicht auf der Gewerkschaftsliste für den Betriebsrat kandidiert. Die Beklagte berief sich darauf, mit der Arbeitsleistung und dem persönlichen Verhalten des Klägers nicht so zufrieden gewesen zu sein, dass sie das Arbeitsverhältnis habe unbefristet fortführen wollen. Die klägerische Betriebsratstätigkeit habe bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung vor dem LAG hatte keinen Erfolg, allerdings eröffnete das LAG dem Kläger den Weg zum BAG, weil die grundlegenden Entscheidungen des Erfurter Gerichts bereits rund 10 Jahre zurücklagen.

2. Entscheidungsgründe

Der Kläger hatte auch vor dem BAG keinen Erfolg. Der 7. Senat bestätigte seine Entscheidungen vom 05.12.2012 (Az. 7 AZR 698/11) und vom 25.06.2014 (Az. 7 AZR 847/12), wonach die Wahl eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers in den Betriebsrat keine Unwirksamkeit der Befristung bedingt. Auch durch das Recht der Europäischen Union sei eine solche Annahme nicht zwingend vorgegeben. Das einzelne Betriebsratsmitglied sei durch die Vorschrift des § 78 S. 2 BetrVG, wonach es in der Ausübung seiner Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden darf, hinreichend geschützt. Im vorliegenden Fall habe sich das LAG im Zusammenhang mit der Abweisung des Schadenersatzanspruchs in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Würdigung des wechselseitigen Vortrags der Parteien die Überzeugung gebildet, dass die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines unbefristeten Folgevertrages nicht wegen dessen Betriebsratstätigkeit verweigert hatte.

3. Praxishinweis

Die bisher nur als knappe Pressemitteilung vorliegende Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BAG und überzeugt. Festzuhalten ist, dass

  • die Wahl eines befristet angestellten Arbeitnehmers in den Betriebsrat nicht „automatisch“ eine Entfristung des Arbeitsvertrages zur Folge hat. Dies käme einer Begünstigung wegen des Amtes gleich, was mit der gesetzlichen Wertung des § 78 S. 2 BetrVG unvereinbar wäre.
  • ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Folgevertrages haben kann, wenn die Entfristung gerade wegen der Betriebsratstätigkeit versagt wurde. Hierbei sei eine Benachteiligungsabsicht nicht erforderlich. Im Wesentlichen sei dies eine Frage der abgestuften Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Anspruch. Das BAG geht davon aus, dass kein Erfahrungssatz besteht, wonach eine unterbliebene Entfristung auf die Betriebsratstätigkeit zurückzuführen sei. Da es sich aber um eine innere Tatsache des Arbeitgebers handelt, soll es für den Arbeitnehmer zulässig sein, die entsprechende Ursächlichkeit zunächst lediglich zu behaupten. Bestreitet der Arbeitgeber dies sodann, ist weiterer Vortrag des Antragstellers erforderlich.

1. Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin ist im Einzelhandelsbetrieb der beklagten Arbeitgeberin als Verkäuferin beschäftigt. Die Beklagte gehört einem Konzernverbund an. Innerhalb des Konzernverbunds regelt eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs, dass alle Personaldokumente - auch Entgeltabrechnungen - über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Zugriff online abrufbar sind. Kann ein Beschäftigter über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente nicht zugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte die Entgeltabrechnungen fortan nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.

Das LAG gab der Klage statt und begründete das damit, die Entgeltabrechnungen seien nicht ordnungsgemäß erteilt. Es handele sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.

2. Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der 9. Senat des BAG entschied, der Arbeitgeber wahre durch das Einstellen der Entgeltabrechnungen in ein digitales Mitarbeiterpostfach grundsätzlich die gesetzlich vorgeschriebene Textform (§ 108 Abs. 1 S. 1 GewO). Er könne den Anspruch des Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts damit erfüllen, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein (sog. Holschuld des Arbeitnehmers). Es reiche aus, dass der Arbeitgeber die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstelle. Dabei habe er den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen, die privat nicht online auf das digitale Mitarbeiterpostfach zugreifen können. Die in der Konzernbetriebsvereinbarung vorgesehene Bereitstellung der Entgeltabrechnungen greife nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

3. Praxishinweis

Die Entscheidung des 9. Senats ist mit Blick auf die Digitalisierung und Entbürokratisierung für Arbeitgeber praxisrelevant. Entgeltabrechnungen in Papierform verursachten bisher oft einen unverhältnismäßig hohen Aufwand. Der Arbeitgeber muss Entgeltabrechnungen in Textform erteilen. Ausreichend dafür ist die Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger. Das ist jedes Medium, das dem Arbeitnehmer ermöglicht, eine persönlich an ihn gerichtete Erklärung auf dem Datenträger so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm zweckgemäß für einen angemessenen Zeitraum zugänglich und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Zudem genügt, dass der Arbeitgeber die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt.

 


1. Sachverhalt

Die Parteien streiten um Lohnzahlung für Juni 2023. Der klagende Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin als Senior Consultant beschäftigt. Die Beklagte kündigte sein Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2023 und stellte ihn unwiderruflich unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung frei. Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Kläger zeitnah arbeitssuchend und erhielt von der Arbeitsagentur erstmals Anfang Juli 2023 Vermittlungsvorschläge. Die Beklagte hingegen übergab dem Kläger bereits im Mai und Juni 2023 Stellenangebote und forderte ihn zur Bewerbung auf. Das tat der Kläger auch, allerdings erst ab Ende Juni 2023. Die Beklagte zahlte für Juni 2023 keine Vergütung mehr. Der Kläger erhob Klage.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das LAG gab der Berufung des Klägers statt.

2. Entscheidungsgründe

Der 5. Senat des BAG bestätigte die Entscheidung des LAG. Die Beklagte habe sich aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist in Annahmeverzug befunden und schulde ihm deshalb die vereinbarte Vergütung bis zum Ende der Kündigungsfrist (§§ 615 S. 1, 611a Abs. 2 BGB). Der Kläger müsse sich anderweitig nicht erzielten Verdienst nicht anrechnen lassen (§ 615 S. 2 BGB). Eine Anrechnung sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben untätig geblieben ist. Der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb sei in einer Gesamtabwägung nicht ohne Rücksicht auf die Pflichten des Arbeitgebers zu beurteilen. Da während der Kündigungsfrist ein Beschäftigungsanspruch bestehe, habe die Arbeitgeberin darzulegen, dass ihr dessen Erfüllung unzumutbar gewesen wäre. Das habe die Beklagte nicht getan. Der Kläger habe deshalb schon vor Ablauf der Kündigungsfrist keinen neuen Job suchen müssen.

3. Praxishinweis

Bereits durch das BAG entschieden war, dass für den Zeitraum nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist die Beurteilung der Böswilligkeit stets eine unter Bewertung aller Einzelfallumstände vorzunehmende Gesamtabwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteresse erforderlich ist. Der Arbeitnehmer unterlies anderweitigen Verdienst dann böswillig, wenn er eine anderweitige Arbeit nicht aufgenommen oder deren Aufnahme bewusst verhindert hatte, obwohl ihm die Arbeit zumutbar gewesen wäre. Das gilt nun nicht auch uneingeschränkt für den Zeitraum vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer muss nur dann auf Jobsuche gehen, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass ihm dessen Beschäftigung trotz des noch bestehenden Beschäftigungsanspruchs während der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre. Das gilt etwa dann, wenn der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr beschäftigen kann (bspw. Betriebsstilllegung, fehlende Arbeitserlaubnis). Gleiches dürfte bei einem unwiderleglich zerrütteten Vertrauensverhältnis gelten, wenn der Arbeitgeber hierfür konkrete Umstände aus der Sphäre des Arbeitnehmers darlegt.

 

 

Bitte beachten Sie, dass diese Darstellung die bisherige und die aktuelle Rechtslage nur auszugsweise und verkürzt wiedergibt. Sie kann daher eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Rechtsberatung nicht ersetzen.

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