Arbeitsrecht

12. Newsletter - 05/2021

In unserem neuen Newsletter beschäftigen wir uns mit den - bisher nur als Pressemitteilung - vorliegenden Urteilen des BAG (hierzu unter Ziff. I.) und einer Zusammenfassung von aktuellen Urteilen aus der II. Instanz zum Themengebiet „Corona“, unter anderem zum Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit und zur Betriebsrisikolehre (hierzu unter Ziff. II.).

Abschließend der Hinweis darauf, dass das Bundeskabinett am 31.03.2021 das Gesetz zur Stärkung von Betriebsräten beschlossen hat. Nunmehr firmiert das Betriebsrätestärkungsgesetz als Betriebsrätemodernisierungsgesetz und befindet sich in der finalen Phase der Gesetzgebung. Die in unserem digitalen ARBEITS-Frühstück im Februar dargestellten Regelungen werden Gesetz werden (zu den Eckpunkten unter Ziff. III.). Im Überblick:

1. Vergütungsrechtliche Einordnung von ärztlichem Hintergrunddienst als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst

2. Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten eines Wachpolizisten

3. Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

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1. Kurzarbeit Null kürzt den Urlaub

2. Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko auch in der Pandemie

3. Corona-Anhuster kann eine Kündigung rechtfertigen

4. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Regelungen zur Zugangskontrolle und Dokumentation der Besuche in einem Krankenhaus

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Und zu guter Letzt die Zusammenfassung der Eckdaten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes

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1. Vergütungsrechtliche Einordnung von ärztlichem Hintergrunddienst als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst

In dieser Entscheidung hat der Kläger - ein Oberarzt - im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, auf das der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (kurz: TV-Ärzte/TdL) Anwendung findet, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste zu leisten. Während dieser Zeit ist er verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, macht der Arbeitgeber nicht. Im Rahmen des Hintergrunddienstes kann es sowohl zu Einsätzen des Klägers im Klinikum der Beklagten als auch zu rein telefonischen Inanspruchnahmen kommen, wobei letztere überwiegen. Dabei hat der Kläger auch mögliche Organtransplantationsangebote der Stiftung Eurotransplant zu bearbeiten. Die dafür erforderlichen Informationen entnimmt der Kläger einem mitzuführenden Aktenordner.

Der Kläger meint, die Hintergrunddienste seien aufgrund der mit ihnen verbundenen Beschränkungen sowie der Anzahl und des zeitlichen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahmen Bereitschaftsdienst und als solcher zu vergüten.

Der 6. Senat des BAG entschied: Die Frage, ob der ärztliche Hintergrunddienst nach § 9 des TV-Ärzte/TdL als zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst zu bewerten sei, hänge davon ab, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Vorgabe, insbes. hinsichtlich der Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit, zwingt, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten und damit eine faktische Aufenthaltsbeschränkung vorgibt. Das gelte auch, wenn der ärztliche Hintergrunddienst mit einer Telefonbereitschaft verbunden sei. Bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst handelt es sich daher um Rufbereitschaft.

Zwar untersage § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Das träfe vorliegend zu. Der Kläger sei in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen worden und leiste zu 4 % aller Rufbereitschaftsstunden tatsächliche Arbeit. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte die Beklagte die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste daher nicht anordnen dürfen. Gleichwohl führe dies nicht zu der vom Kläger begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil sei nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Die Tarifvertragsparteien hätten damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen habe der Senat zu respektieren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.03.2021, Az. 6 AZR 264/20 (Pressemitteilung Nr. 6/21)

Anmerkung:

Das BAG geht davon aus, dass hier eine durch die Tarifpartner gewollte Lücke in der Vergütungspflicht besteht. Auffällig in dieser Entscheidung wie weitreichend die Möglichkeit ist, durch tarifvertragliche Regelungen abweichend von an sich zwingenden Normen bindende Vorgaben zu schaffen. Allerdings gilt hier wie auch bei den folgenden Urteilsrezensionen: Die genauen Ausführungen in der Urteilsbegründung müssen abgewartet werden, um eine verlässliche Aussage zu erhalten.

2. Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten eines Wachpolizisten

Die beiden Kläger, die beim beklagten Land als angestellte Wachpolizisten im Zentralen Objektschutz tätig sind, fordern die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide-, Rüst- und damit in Zusammenhang stehenden Wegezeiten. Auf Weisung des beklagten Landes müssen die Wachpolizisten ihren Dienst in angelegter Uniform mit dem Aufdruck POLIZEI sowie mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Es ist ihnen freigestellt, ob sie den Weg zur und von der Arbeit in Uniform zurücklegen und ob sie das in einer Dienststelle zur Verfügung gestellte Waffenschließfach nutzen. Sie haben die Möglichkeit, die Zurverfügungstellung eines Spinds zu beantragen. Einer der Kläger bewahrt die Dienstwaffe bei sich zu Hause auf und nimmt dort auch das Umkleiden und Rüsten vor. Der andere Kläger nutzt das dienstliche Waffenschließfach, was beim Zurücklegen des Wegs von seiner Wohnung zum Einsatzort und zurück einen Umweg bedingt.

Der 5. Senat des BAG urteilte wie folgt: Das Umkleiden und Rüsten mit einer besonders auffälligen Dienstkleidung, persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe ist dann keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern für die Verrichtung dieser Tätigkeiten seinen privaten Wohnbereich wählt. Ebenfalls nicht vergütungspflichtig ist die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung. Dagegen ist die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, es handelt sich um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.03.2021, Az. 5 AZR 292/20 (Pressemitteilung Nr. 07/21)

Anmerkung:

Grundsätzlich werden Zeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB anerkannt. Hinsichtlich der Vergütung selbst können abweichende vertragliche oder tarifvertragliche Regelungen getroffen werden. Im vorliegenden Fall nutzten die Arbeitnehmer die dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleidemöglichkeiten jedoch nicht, so dass eine rechtlich andere Bewertung erforderlich war.

3. Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.01. bis 31.01.2019 als Wirtschaftsjurist beschäftigt. Mit seiner Klage hat er u. a. Auskunft über seine von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Daten gem. Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DSGVO) verlangt. Darüber hinaus forderte er weitere Kopien seines E-Mail-Verkehrs sowie der E-Mails, die ihn namentlich erwähnen.

Der 2. Senat hat offengelassen, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Erteilung einer Kopie von E-Mails umfassen kann. Jedenfalls muss ein solcher zugunsten des Klägers unterstellter Anspruch entweder mit einem i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klagebegehren oder, sollte dies nicht möglich sein, im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Daran fehlte es hier. Bei einer Verurteilung der Beklagten, eine Kopie des E-Mail-Verkehrs des Klägers zur Verfügung zu stellen sowie von E-Mails, die ihn namentlich erwähnen, bliebe unklar, Kopien welcher E-Mails die Beklagte zu überlassen hätte. Gegenstand der Verurteilung wäre die Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung i. S. v. § 888 ZPO, für die im Zwangsvollstreckungsrecht nicht vorgesehen ist, dass der Schuldner an Eides statt zu versichern hätte, sie vollständig erbracht zu haben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2021, Az. 2 AZR 342/20 (Pressemitteilung Nr. 8/21)

Anmerkung:

Die Kritik an einer allzu extensiven Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO hinsichtlich Reichweite und Umfang hat Gehör gefunden. Dieses Urteil ist für die Praxis entscheidend, da es häufig das „Horrorgespenst“ des Arbeitgebers ist, wenn der Arbeitnehmer im Trennungsprozess - häufig aus prozesstaktischen Gründen - einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geltend macht und Kopien sämtlicher vorhandener Daten, Abrechnungen, E-Mail-Konversationen, WhatsApp-Chats und Login-Daten gefordert werden. Nunmehr ist höchstrichterlich klargestellt, dass eine genaue Bezeichnung erforderlich ist und nicht nur pauschales Geltendmachen ausreicht.


1. Kurzarbeit Null kürzt den Urlaub

Das LAG Düsseldorf verneinte in seinem Urteil einen Urlaubsanspruch für die vollen Monate der Kurzarbeit Null. Es entschied, dass eine Arbeitnehmerin, die pandemiebedingt u. a. in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 durchgängig in Kurzarbeit Null war, keine Urlaubsansprüche gem. § 3 Bundesurlaubsgesetz für diesen Zeitraum erworben hat, sodass ihr der Jahresurlaub 2020 nur anteilig im gekürzten Umfang zusteht.

Der Erholungszweck des Urlaubsanspruchs setze eine Arbeitsverpflichtung voraus. Eine solche bestünde während der Kurzarbeit Null jedoch gerade nicht. Es handele sich auch nicht um eine mit der Arbeitsunfähigkeit vergleichbare Situation. Vielmehr sei die Konstellation mit der von Teilzeitkräften vergleichbar, bei denen es abhängig von der Anzahl der Wochenarbeitstage zu einer Reduzierung des Urlaubsanspruchs komme.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az. 6 Sa 824/20

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Anmerkung:

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf liegt auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Das BAG hat etwa bei unbezahltem Sonderurlaub (BAG, Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17) und bei der Freistellungsphase in der Altersteilzeit im Blockmodell (BAG, Urteil vom 24.09.2019, Az. 9 AZR 481/18) Urlaubsansprüche verneint.

Das Urteil entspricht auch dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht. Das deutsche Recht enthält dazu keine günstigere Regelung. Weder existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes.

2. Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko auch in der Pandemie

Das LAG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung der Arbeitnehmerin die Vergütung für aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallene Arbeitsstunden infolge der Schließung des Betriebes zugesprochen, da der Arbeitgeber das Betriebsrisiko für Ursachen trägt, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern.

Pandemiebedingt war der beklagte Arbeitgeber - Betreiber einer Spielhalle - zunächst auf Grund behördlicher Allgemeinverfügung gezwungen, seinen Betrieb ab dem 16.03.2020 zu schließen. Kurze Zeit später untersagte § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) vom 22.03.2020 den Betrieb von Spielhallen. Bei Aufrechterhaltung des Betriebs hätte die klagende Arbeitnehmerin im Monat April 2020 insgesamt 62 Stunden gearbeitet. Das LAG hat der Arbeitnehmerin die Vergütung für die ausgefallenen 62 Arbeitsstunden zugesprochen.

Das LAG ist der Rechtsansicht, dass dies aus § 615 S. 1 BGB i. V. m. § 615 S. 3 BGB folge, weil die Beklagte sich im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung befand. Nach der gesetzlichen Wertung des § 615 S. 3 BGB trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Dies sind Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfasst dies auch Fälle höherer Gewalt, wie z. B. Naturkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen oder extreme Witterungsverhältnisse. Um ein solches Ereignis handelte es sich bei der aktuellen Pandemie. Dass die durch die CoronaSchVO bedingte staatliche Schließung dieses Risiko zu Lasten der Spielhalle verwirkliche, ändert daran nichts. Auch eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung rechne zum Betriebsrisiko i. S. v. § 615 S. 3 BGB. Es sei mangels klarer Abgrenzbarkeit nicht darauf abzustellen, ob diese Schließung eine gesamte Branche, die zunächst als solche abzugrenzen wäre, oder nur einzelne Betriebe dieser Branche, ggf. bundesweit, nur in einzelnen Ländern oder aber örtlich begrenzt erfasse. Deshalb könne nicht auf die Reichweite des behördlichen Verbots abgestellt werden. Ein Fall, in dem die Klägerin ihre Arbeitskraft überhaupt nicht mehr verwerten konnte, was ggf. zu deren allgemeinen Lebensrisiko gehöre, sei nicht gegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2021, Az. 8 Sa 674/20 (Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 30.03.2021)

Anmerkung:

Ob das BAG dieser Argumentation folgen wird, bleibt abzuwarten. Es wird die Frage zu entscheiden haben, ob das Risiko des Arbeitsausfalls dem Betriebsrisiko und damit dem Arbeitgeber oder dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Arbeitnehmer zuzuordnen ist.

3. Corona-Anhuster kann eine Kündigung rechtfertigen

Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass das Anhusten eines Kollegen aus nächster Nähe grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Wer bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustet und äußert, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme, verletzt in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich macht, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, ist eine Abmahnung entbehrlich.

Im vorliegenden Fall hatte jedoch das LAG Düsseldorf der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Arbeitgeber, der für den Kündigungsgrund die Beweislast trägt, konnte nach der Beweisaufnahme den von ihm behaupteten Sachverhalt nicht beweisen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2021, Az. 3 Sa 646/21 (Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 27.04.2021)

4. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Regelungen zur Zugangskontrolle und Dokumentation der Besuche in einem Krankenhaus

… und damit das LAG Düsseldorf nicht zu viel Beachtung bekommt noch der Leitsatz einer Entscheidung des LAG Köln:

Leitsatz:

Eine Regelung der Zugangskontrolle und Dokumentation der Besuche in einem Krankenhaus zum Zweck des Pandemie-Infektionsschutzes unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und im Streitfall der Entscheidung durch eine Einigungsstelle.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen.

Eine solche Handlungspflicht, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, bestünde im vorliegenden Fall. Denn Krankenhäuser hätten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten, Bewohner sowie - ausdrücklich - auch das Personal zu schützen. Besuche seien gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO (nur) auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig, das die Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch-Instituts zum Hygiene- und Infektionsschutz umsetzte. Entscheidet sich der Krankenhausträger für die Zulassung von Besuchen, träfe ihn die entsprechende Verpflichtung zur Erstellung eines Besuchskonzepts.

LAG Köln, Beschluss vom 22.01.21, Az. 9 TaBV 58/20

Anmerkung:

Der Beschluss des LAG bestätigt, dass die Mitbestimmung des BetrVG „pandemieresistent“ ist, auch wenn die Durchführung eines aufwendigen Einigungsstellenverfahrens wegen der Eilbedürftigkeit des Infektionsschutzes vielleicht nicht in die aktuelle Zeit passt.


  • Kernpunkt ist eine Erleichterung des Wahlverfahrens für Betriebsräte. Künftig soll das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten obligatorisch sein und in Betrieben mit bis zu 200 Arbeitnehmern vereinbart werden können. Der Kündigungsschutz wurde dergestalt erweitert, dass nicht nur drei, sondern sechs Beschäftigte, die zur Wahl eines Betriebsrats einladen, Kündigungsschutz genießen. Dieser gilt auch schon vor Einberufung der Wahlversammlung, wenn die Initiatoren eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen wollen.
  • Die Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird gestrichen. Zukünftig kommt es für das aktive und passive Wahlrecht von Auszubildenden zur Jugend- und Auszubildendenvertretung nur noch auf den Status als Auszubildender an.
  • Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung wird ausgeweitet und die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung ermöglicht.
  • Außerdem sollen Betriebsratsmitglieder auch per Video oder Telefon an Sitzungen teilnehmen können, wenn das in der Geschäftsordnung vorgesehen ist und nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder widerspricht.
  • Es wird klargestellt, dass Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.
  • Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche i. S. d. datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben erfolgt.
  • Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI (Künstliche Intelligenz) und von Informations- und Kommunikationstechnik im Betrieb wird
    • festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt,
    • klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist,
    • sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden.
  • In § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG wird ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt.

Alles in allem ein Gesetz mit weitreichenden Konsequenzen für die Praxis.

Bitte beachten Sie, dass diese Darstellung die bisherige und die aktuelle Rechtslage nur auszugsweise und verkürzt wiedergibt. Sie kann daher eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Rechtsberatung nicht ersetzen.

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